Nach dem Angriff auf den SPD-Europaabgeordneten Ecke findet vor dem Brandenburger Tor eine Solidaritätskundgebung statt. (Foto: dpa)

Brandenburg Berlin Demonstrationen: Mehrere Tausend Menschen solidarisieren sich mit angegriffenem SPD-Politiker

Stand: 06.05.2024 11:01 Uhr

Nach Attacken auf Poliker im Europawahlkampf haben am Sonntag etwa 2.000 Menschen in der Region ein Zeichen für Demokratie gesetzt. In Berlin, Bernau und Potsdam gingen Menschen auf die Straße.

  • Bis zu 2.000 Menschen demonstrieren in Berlin - 3.000 in Dresden
  • Inzwischen alle vier Tatverdächtigen bekannt
  • Sächsischer SPD-Chef warnt vor Nachahmungstätern
  • Stübgen lädt Amtskolleginnen und -kollegen zur Sondersitzung ein

Nach dem Angriff auf den sächsischen SPD-Spitzenkandidaten für die Europawahl, Matthias Ecke, haben sich Tausende Menschen am Sonntag in Berlin, Brandenburg und Dresden zu Solidaritätskundgebungen gegen rechte Gewalt versammelt.
 
Das Netzwerk "Zusammen gegen Rechts" hatte für Sonntagabend zu einer Kundgebung am Brandenburger Tor in Berlin unter dem Motto "Haltung zeigen gegen Hass und Gewalt. Unsere Demokratie lässt sich nicht einschüchtern" aufgerufen.

Archivbild: Europaparteitag der SPD: Matthias Ecke. (Quelle: dpa/dts)
Kundgebung in Berlin nach Angriff auf SPD-Politiker - 17-Jähriger stellt sich

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Rund 2.000 Menschen vor Brandenburger Tor

Die Zahl der Teilnehmenden lag nach Angaben der Polizei in der Spitze bei bis zu 2.000. Ursprünglich waren 50 Teilnehmer zur Kundgebung angekündigt, wie die Polizei vorab sagte. Zur Demonstration kamen auch die Grünen-Vorsitzenden Ricarda Lang und Omid Nouripour, SPD-Chef Lars Klingbeil, SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert sowie die Ministerpräsidenten von Sachsen und Nordrhein-Westfalen, Michael Kretschmer und Hendrik Wüst (beide CDU).

SPD-Chef Klingbeil von Attacke geschockt

Klingbeil zeigte sich im Namen der SPD geschockt über die Gewalttat. "Die Höckes und die Gaulands und die Weidels, die haben vielleicht nicht die Faust erhoben und die haben nicht direkt zugeschlagen. Aber ich sage euch, die haben das gesellschaftliche Klima in diesem Land mitproduziert, das andere Menschen dazu bringt, auf Ehrenamtliche, auf Aktivisten, auf Politikerinnen und Politiker einzuschlagen."
 
Klima-Aktivistin Luisa Neubauer betonte, bei dem Angriff auf Ecke seien alle Demokratinnen und Demokraten gemeint. "Wenn Menschen angegriffen werden, die sich für die Demokratie einsetzen, wenn Menschen im Internet zerrissen werden, die sich für die Gerechtigkeit aussprechen, wenn Menschen sich nicht mehr trauen, frei einzustehen für Gewaltfreiheit, für Demokratie, für eine bessere Gesellschaft, dann sind wir alle mit gemeint."
 
Wüst sagte zuvor im ARD-"Bericht aus Berlin", Gewalt sei kein probates Mittel in der Politik. Die Angriffe erinnerten an finsterste Kapitel der deutschen Geschichte.

Auch in Brandenburg kamen Menschen zusammen

Auch in Brandenburg wurde protestiert. Vor der Potsdamer Nikolaikirche kamen rund 50 Menschen zusammen. Auch in Bernau (Barnim) protestieren Menschen und setzten ein Zeichen für Demokratie.

Göring-Eckardt: "Wir sind das Volk!"

In Dresden gingen rund 3.000 Menschen auf die Straße und setzten ein Zeichen für Demokratie. Bundestagsvizepräsidentin Katrin-Göring-Eckardt (Grüne) sagte dort, dass Ostdeutschland 1989 Demokratie erstritten und erkämpft habe. "Und wir werden nicht weichen gegen diejenigen, die die Demokratie verächtlich machen." Und man werde erst recht nicht weichen, "wenn einer von uns Gewalt erfahren muss", betonte die Politikerin. "Wir sind das Volk", sagte Göring-Eckardt weiter.
 
Unter den Teilnehmerinnen und Teilnehmern in Dresden waren unter anderem die Bundesvorsitzende der SPD, Saskia Esken, Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) und die sächsische Justizministerin Katja Meier (Grüne).

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17-Jähriger stellt sich

Der SPD-Politiker Matthias Ecke war am Freitag in Dresden beim Aufhängen von Wahlplakaten von vier Unbekannten schwer verletzt worden. Inzwischen sind der Polizei alle vier Tatverdächtigen bekannt, sie sind alle entweder 17 oder 18 Jahre alt.
 
Zuerst hatte sich ein 17-Jähriger am Sonntagvormittag in Begleitung seiner Mutter der Polizei gestellt [mdr.de]. Der Jugendliche gab dort an, dass er den 41-Jährigen niedergeschlagen habe, wie das sächsische Landeskriminalamt (LKA) mitteilte. Der Tatverdächtige war zuvor nicht polizeilich in Erscheinung getreten.
 
Danach wurden auch die drei anderen mutmaßlichen Täter ermittelt, wie die Staatsanwaltschaft Dresden am Montag mitteilte. Bei Wohnungsdurchsuchungen am Sonntagabend wurden Beweismittel sichergestellt, die jetzt ausgewertet werden. Bis zum Abschluss der Ermittlungen werde es noch dauern, hieß es.
 
Kurz vor dem Angriff auf Ecke war in Dresden zudem ein 28-Jähriger angegriffen und verletzt worden, der für die Grünen Wahlplakate anbrachte. Nach bisherigem Stand der Ermittler sollen die vier Verdächtigen auch für diese Gewalttat verantwortlich sein.

Sächsischer SPD-Chef warnt vor Nachahmungstätern

Ecke hat nach Angaben des sächsischen SPD-Vorsitzenden Henning Homann einen Bruch des Jochbeins und der Augenhöhle sowie Hämatome im Gesicht erlitten. Ecke sei am Sonntag operiert worden, es gehe ihm den Umständen entsprechend gut. Die SPD Sachsen geht davon aus, dass er seinen Wahlkampf fortsetzen wird. Das stehe aktuell aber nicht im Vordergrund stehe.
 
Homann warnte unterdessen vor Nachahmungstätern. Es stelle sich zum Beispiel die Frage, ob Nazi-Sportgruppen die Plakatierrunden von ehrenamtlichen Wahlkampfhelfern als ihr Aktionsfeld entdeckt haben, sagte Homann. "Die Gefahr durch Nachahmungstäter ist sehr aktuell."
 
Die SPD hat laut Homann Sicherheitsvorkehrungen vorgenommen. So werde man nur noch tagsüber plakatieren und die Teams vergrößern. "Trotzdem muss uns klar sein, dass die Wahrscheinlichkeit, dass es weitere Angriffe gibt, sehr real ist."

Auch andernorts hatte es bereits mehrfach Angriffe auf Politiker und Wahlkampfhelfer gegeben. Zuletzt war in der vergangenen Woche Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Grüne) bei einer Wahlkampfveranstaltung im Barnim bedrängt und bedroht worden.

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Jakobs: Zunehmende Gewalt gegen Politiker kann sich auf Kommunalwahlen auswirken

Insgesamt könnte aus Sicht des Bündnisses "Brandenburg zeigt Haltung" die zunehmende Gewalt gegen Politiker weitere Auswirkungen auch auf die Kommunalwahlen haben. "Uns alle treibt die Sorge um, dass die Übergriffe viele davon abhalten werden, Verantwortung in der Kommune zu übernehmen", warnte Bündnissprecher Jann Jakobs, früher Oberbürgermeister von Potsdam, am Sonntag. "Eine Gemeinde funktioniert aber nur, wenn sich die in ihr lebenden Menschen für das Gemeinwohl einsetzen." Jeder Übergriff sei ein Angriff auf die Demokratie, die auf ehrenamtliches Engagement in Parteien und Wählerbündnissen angewiesen sei.
 
Das Bündnis von inzwischen 400 Organisationen aus Wirtschaft, Wissenschaft, Sport, Gewerkschaften, Sozialverbänden, Kirchen und anderen Institutionen hatte sich im Januar gegründet. In den nächsten Wochen wolle man das Engagement verstärken, hieß es in einer Mitteilung. "Wir fordern alle Brandenburgerinnen und Brandenburger auf, mit uns gemeinsam für Demokratie und Zusammenhalt in unserem Land einzustehen." Am 9. Juni sind in Brandenburg Kommunalwahlen.

Brandenburger Innenminister will Amtskollegen zu einer Sondersitzung einladen

Der Brandenburger Innenminister Michael Stübgen (CDU) kündigte an, seine Ministerkolleginnen und -kollegen sowie Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) zu einer Sondersitzung einzuladen. Stübgen ist amtierender Vorsitzender der Innenministerkonferenz. Der "Rheinischen Post" (Montag) sagte er, das informelle Treffen werde am Dienstag stattfinden.

Angriffe auf Amts- und Mandatsträger seien in den vergangenen Jahren immer weiter gestiegen - "diese wachsende Verrohung der Gesellschaft zeigt sich leider auch immer dann, wenn Polizisten, Rettungskräfte oder Feuerwehrleute im Einsatz angegriffen werden", sagte der CDU-Politiker. Die Polizei allein könne die Demokratie vor ihren Feinden nicht beschützen. Es brauche einen breiten gesellschaftlichen Schulterschluss.

Sondersitzung geht auf Faeser-Vorschlag zurück

Bundesinnenministerin Faeser hatte nach dem Angriff auf Matthias Ecke eine solche Sondersitzung vorgeschlagen. "Der Rechtsstaat muss und wird den Schutz der demokratischen Kräfte in unserem Land weiter erhöhen", sagte Faeser der "Bild". "Wir erleben eine neue Dimension antidemokratischer Gewalt, der wir uns mit aller Kraft entgegenstellen", fügte die Ministerin hinzu. "Wir müssen die Täter stoppen - und die Brandstifter, die unsere Demokratie in Brand setzen wollen. Wir werden keinen Millimeter zurückweichen."
 
Sendung: rbb24 Abendschau, 05.05.2024, 19:30 Uhr

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